Positives Reise - Denken

Es regnete, als ich am Bahnhof ankam. Ich war froh, dass meine Jacke sich ganz unten im Koffer befand. So wurde sie wenigstens nicht nass.
 

 

 

Der ICE fiel aus. Im Ersatzzug fand sich ein Plätzchen im Flur, was durchaus als Vorteil zu werten ist, hält doch das Auf und Nieder von einem Klappstuhl den Fahrgast allemal beweglicher als die Schlummerrunde in einem verweichlichenden ICE-Sessel.
 

Am Flughafen in Frankfurt stellte ich zweierlei fest: Meine Kreditkarte lag zu Hause - was die Ausgaben der nächsten drei Wochen sinnvoll beschränken würde. Und dank einer zweistündigen Verspätung der Maschine würde mir endlich einmal Zeit bleiben, die Flughafenarchitektur zu studieren. 
 

 

 

Vor dem Abflug verfolgte ich durch das Fenster der Boeing, wie mein Koffer vom Gepäckwagen aufs Rollfeld knallte. Ein durchaus angebrachter Härtetest, bedenkt man die Belastungen der kommenden Reise.

Die Stewardess erkundigte sich, ob ich "chicken" oder "lamb" zum Abendessen wünschte. Da "lamb" wie "ham" klang, fragte ich sicherheitshalber nach, erfuhr, dass es sich wirklich um "lamb" handeln sollte und erhielt Kassler. Nun denn: Lamm pflegt fast immer zäh zu sein. Kassler war es nur in meinem Fall. Kein Grund sich zu sorgen: Lauwarmes Dörrfleisch schien mir der ideale Begleiter zum wohltemperierten Chardonnay.
 

 

 

Dann der Film.  "Hard Rain" : Es plätscherte auf der Leinwand, es schüttete, es kübelte, es goß - insgeheim beglückwünschte ich die Programmplaner zu dieser feinsinnigen Einstimmung auf einen sonnigen Urlaub. 
 

Kam dazu, dass wir so auch nicht auf dem trockenen sassen, als die Stewardess nach dem zweiten Whisky das Ende der Alkoholika - Bestände verkündete. Eine sinnvolle Sparmassnahme, möchte ich meinen, die die Gesellschaft bald in die Lage versetzen dürfte, ihre Flugpreise zu senken.
 

 

 

Schön auch, dass mein Nachbar nicht müde wurde, mir die Handlung zu erläutern. Wer Filme ganz allein für sich betrachtet, läuft leicht Gefahr, in Isolation und Schwermut zu versinken.
 

Als er mir später schliesslich gar erlaubte, ihm meine Armlehne für einen geruhsamen Schlaf zu überlassen, wandte ich beruhigt meiner Reiselektüre zu: "Die Kraft des positiven Denkens". Ein überzeugendes Buch. Ich verreise nie ohne.

 

Quelle: Hamburger Abendblatt / Franz Lerchenmüller